Der NDR war bei uns zu Besuch um über das Lernen während und nach Corona zu berichten. Entstanden ist ein schöner Einblick in den Unterricht. Die Kinder der Klasse 2a verfolgten mit Neugierde und Spannung das Agieren des Fernsehteams und zeitgleich den Unterrichts. Für uns alle eine angenehme, tolle Erfahrung, die wir sicherlich in Erinnerung behalten werden.
Folgender Bericht entstammt der NDR Webseite und wurde Von Lisa Knittel verfasst.
Corona macht erfinderisch: Unterricht mit Handpuppe
Von Lisa Knittel
„Ulàlà, dance boys and girls, ulàlà!“, die pinke Handpuppe mit den eng zusammenstehenden Knopfaugen und dem Smoking tanzt vor der Tafel hin und her. Die Kinder juchzen vor Begeisterung und antworten ihrem Hupert singend im Chor: „Wir sind so cool, wir sind so cool, cool, cool!“. Unter dem knallfarbenen Fell steckt die rechte Hand von Ricarda Thiesen. Die Klassenlehrerin der 2a von der Alwin-Lensch-Schule in Niebüll hat Hupert während der Osterferien genäht und ihn während der Homeschooling-Phase für Lernvideos eingesetzt. „Wir konnten uns wegen Corona nicht sehen – ich wollte den Kindern aber einen Anker, einen Freund geben. Jemand, der wiederkehrend für sie da ist und sie zu Hause beim Lernen begleitet. Und als der Präsenzunterricht wieder losging, haben die Kinder als erstes gefragt: Frau Thiesen, wo ist Hupert?“.
„Ich kann mein inneres Kind freilassen“
Seitdem kommt ihr Hupert auch mit an die Schule. „Wie muss der Klassensprecher sein? Ich hab‘ gehört, der muss immer die Klasse sauber machen?“, mit frecher, kratziger Stimme schaut Hupert die Kinder an. „Neiiiiin!“, schallt es ihm entgegen. „Vertrauensvoll muss ein Klassensprecher sein“, weiß Karlotta de Haan aus der ersten Reihe. Hupert berichtet von seinem Freund, dem blauen Fussel, der schnarcht. Das solle er doch nicht erzählen, korrigiert ihn Karlotta. So etwas sei nicht vertrauensvoll. Ein Klassensprecher müsse aber vertrauensvoll sein. „Hupert ist langsam vom Pausenclown immer mehr zu meinem Unterrichtshelfer geworden.“
Hupert – der bewusst Unperfekte
Ricarda Thiesen will die Handpuppe nicht mehr missen: „Ich interagiere mit ihm und den Kindern und kann gleichzeitig mein eigenes inneres Kind freilassen. Hupert macht Fehler, das macht ihn so liebenswert. Ich als Lehrerin kann diese Fehler nicht machen – aber Hupert. Die Kinder lernen dadurch. Ohne es zu merken“, erklärt die Pädagogin ihr Lernkonzept. Als sie im Frühjahr Aufgaben an ihre damals noch erste Klasse verteilen möchte, gerät sie schnell an ihre Grenzen: Kein Laptop, kein Drucker und oft auch kein WLAN zu Hause bei ihren Schülern. „Aber ein Handy mit mobilen Daten hat jeder, dachte ich mir. Und über YouTube können die Kinder die Videos problemlos auf den kleinen Bildschirmen schauen.“
Im Klassenzimmer ein Unterrichtshelfer und zu Hause eine Lernhilfe
Die Videos der Pädagogin hat Karlotta aus der 2a zum Lernen motiviert – obwohl sie zu Hause bleiben musste. „Ich war ja gerade in der ersten Klasse. Und dann durfte ich nicht mehr meine Freunde sehen. In den Videos, da kommt erst Hupert und macht Quatsch mit seinem Freund Fussel oder er erklärt mir was Wichtiges. Er braucht zu lange im Bad zum Beispiel oder erzählt, was Corona ist. Und dann zeigt uns Frau Thiesen neue Buchstaben an der Tafel.“ Inzwischen schaut sie die Videos als Hausaufgabenhilfe oder für Wiederholungen des Lernstoffes zu Hause mit ihrem Bruder Keke.
Mit Hupert das ABC lernen
Keke ist dieses Jahr sogar mit Hupert eingeschult worden. Und Ricarda Thiesen weiß, auch beim ihm wirkt die Handpuppe: „Gerade in der ersten Klasse, da sind die ersten fünf Buchstaben vielleicht noch interessant, dann verliere ich die Kinder oft. Die Aufmerksamkeit bekomme ich aber sofort zurück, wenn Hupert online im Video oder in Realität an der Tafel erst einmal die Kinder mit seinen Stories abholt“, freut sich die studierte Musikerin darüber, dass ihre Idee so fruchtet. „Wir begrüßen so viel kreatives Engagement. Das war für andere Kollegen schon inspirierend und kann auch für einen eventuellen zweiten Lockdown oder für Kinder, die auf Grund von Krankheiten zu Hause bleiben müssen, ein probates Lernmittel sein. Wir unterstützen Frau Thiesen, wo wir können“, erklärt Schulleiterin Anett Lenfert.
Videoproduktion im Wohnzimmer
Besseres technisches Equipment wäre ein Wunsch der Lehrerin. Bisher produziert sie alle Videos zu Hause. Ihr Wohnzimmer gleicht einem Fotoshootingset: Graue Leinwand, zwei abgeschirmte Lampen, eine Stativkamera und ein Schnittplatz mit Richtmikrofon – Ricarda Thiesen mag keine halben Sachen. Zehn bis zwölf Stunden dauert die Videoproduktion pro Folge. Zwei pro Monat schafft sie momentan – neben ihren normalen Unterrichtsvorbereitungen.
Die Charaktere entstehen beim Spielen auf der Hand
Hupert hat einen eigenen Jingle und seinen ganz eigenen Charakter. „Er ist eitel und selbstbewusst. Fragt zu Beginn immer nach seinem Aussehen – gleichzeitig lobt er sich über alle Maßen selbst, aber eben auch die Kinder.“ Unter der Nähmaschine neben ihrem Schnittplatz liegen weitere bunte Fellberge. Ricarda Thiesen näht alle Puppen selbst. Immerhin ist sie zweifache Vizeweltmeisterin im Teddybärennähen. „Das wird der niederländische Cousin von Hupert. Er soll ihn etwas maßregeln. Aber die weiteren Eigenschaften, die entstehen erst beim Spielen auf der Hand.“
Zukunftsplan: Ein digitaler Knigge
Sie huscht zurück an ihren Schnittplatz. Das Rohmaterial für die Folge „Was ist ein Klassensprecher?“ aus dem Unterricht heute früh ist fertig eingeladen. Bald gibt es Geld im Zuge der Schuldigitalisierung für Smartboards an ihrer Schule – und vielleicht auch für Schulrechner, mit denen die kreative Grundschullehrerin dann schneiden kann. Bisher macht sie das mit ihrem privaten Equipment. Sie hat noch viel mehr vor mit Hupert, seinem Cousin, seinem Freund Fussel und den anderen: „Ich möchte den Kindern einen digitalen Knigge an die Hand geben. Ihre Realität sind Whatsapp, Facebook, TikTok, Instagram und Co. Dahinter sitzen reale Menschen, die Sachen kommentieren. Das sollen sie verstehen, indem sie einerseits die richtigen Inhalte konsumieren, aber andererseits eben auch selber produzieren. Sei es ein Foreneintrag für die Website der Schule oder ein kleines Video. Und dafür brauchen wir natürlich technisches Equipment.“ Dann können Hupert und seine Lernvideos sich zusammen mit der Klasse weiterentwickeln – für einen dauerhaften Anker im Leben der Schüler der 2a der Alwin-Lensch-Schule in Niebüll.
Quelle: ndr.de verfasst von Lisa Knittel